Der Stifter legt in der Stiftungssatzung fest, in welcher Art und Weise das Grundstockvermögen erhalten werden soll. Das Kapitalerhaltungskonzept kann gegenständlich konzipiert sein oder sich am Werterhalt des Grundstockvermögens orientieren. Ist in der Satzung kein Kapitalerhaltungskonzept festgelegt, finden die gesetzlichen Vorschriften im BGB und die landesspezifischen, ggf. kirchenrechtlichen Vorschriften für Stiftungen Anwendung.
Begrifflich spricht man in der Literatur bei dieser Thematik sowohl von Kapitalerhaltungskonzepten wie auch von Vermögenserhaltungskonzepten.
Das gegenständliche Kapitalerhaltungskonzept meint, dass der vom Stifter eingebrachte Vermögensgegenstand (Kunstgemälde, denkmalgeschützte Immobilie) für die Ewigkeit in der Stiftung erhalten bleiben soll. Dieser Gegenstand darf von der Stiftung unter keinen Umständen veräußert werden. Da es bei diesem Konzept um die Erhaltung eines konkreten Vermögensgegenstands geht, der in der Jahresrechnung der Stiftung im Anlagevermögen ausgewiesen wird, wird häufig auch von einem gegenständlichen Vermögenserhaltungskonzept gesprochen.
Das nominale Kapitalerhaltungskonzept bestimmt, dass der Wert des eingebrachten Grundstockvermögens im Nominalbetrag zu erhalten ist. Die jährliche Geldentwertung durch die Inflation soll keinen Einfluss auf die Höhe des Grundstockvermögens haben. Bei diesem Konzept geht es nicht um die Erhaltung eines konkreten Gegenstands des Anlagevermögens der Stiftung. Der Nachweis der nominalen Kapitalerhaltung wird üblicherweise im Eigenkapital der Jahresrechnung der Stiftung dargestellt. Entsprechend wird der Begriff der nominalen Kapitalerhaltung (nicht Vermögenserhaltung) häufiger verwendet.
Beispiel:
Der Stifter hat der Stiftung ein Grundstockvermögen in Höhe eines Geldbetrags von 200.000 € übertragen. Die Stiftungssatzung sieht eine nominale Kapitalerhaltung vor. Der Geldbetrag wird in Höhe von jährlich 2 % verzinst. Die Inflation beträgt jährlich 1 %. Verwaltungskosten für die Stiftung fallen nicht an.
Die Erträge aus der Kapitalanlage in Höhe von 40.000 € können vollständig für die Stiftungszwecke verwendet werden. Jährlich stehen damit 4.000 € für die Erfüllung der Stiftungszwecke zur Verfügung. Das Grundstockvermögen bleibt dauerhaft unverändert mit 200.000 € bestehen. Der erhaltene Geldbetrag kann in Anleihen oder Wertpapierfonds umgewandelt werden.
Das reale Kapitalerhaltungskonzept bestimmt, dass der Wert des eingebrachten Grundstockvermögens mit seinem sich verändernden Wert zu erhalten ist. Die jährliche Geldentwertung durch die Inflation hat Einfluss auf die Höhe des Grundstockvermögens. Bei steigender Inflation steigt das Grundstockvermögen ebenfalls. Erwirtschaftete Stiftungserträge erhöhen das Grundstockvermögen und dürfen nicht für Stiftungszwecke verwendet werden.
Beispiel:
Die Stifterin hat der Familienstiftung ein Grundstockvermögen in Höhe eines Geldbetrags von 200.000 € übertragen. Die Stiftungssatzung sieht eine reale Kapitalerhaltung vor. Der Geldbetrag wird in Höhe von jährlich 2 % verzinst. Die Inflation beträgt jährlich 1 %. Verwaltungskosten für die Stiftung fallen nicht an.
Die Erträge aus der Kapitalanlage in Höhe von 4.000 € dürfen nicht vollständig für die Stiftungszwecke verwendet werden. In Höhe der Inflation von 1 %, d.h. 2.000 € ist das Grundstockvermögen zu erhöhen. Entsprechend können im ersten Jahr nach der Gründung nur 2.000 € für die Stiftungszwecke verwendet werden. Im Folgejahr beträgt das Grundstockvermögen 202.000 € (101 % vom historischen Grundstockvermögen). Die Stiftungserträge erhöhen sich entsprechend auf 4.040 €. Von diesem Betrag sind wiederum 2.020 € dem Grundstockvermögen als Inflationsausgleich zuzuführen.
Das reale Kapitalerhaltungskonzept führt dazu, dass je nach Kapitalverzinsung und Inflationshöhe in den ersten bis 50 bis 75 Jahren der Stiftung weniger Mittel für die Erfüllung der Stiftungszwecke zur Verfügung stehen. Erst nach dieser Zeit ist das Grundstockvermögen so stark angestiegen, dass der reale Zinsertrag höher ausfällt als der Zinsertrag bei einer nominalen Kapitalerhaltung. Bei einer 2 %igen jährlichen Kapitalverzinsung und einer Inflation von 1 % dauert es 70 Jahre bis im Beispielsfall ein Betrag von 4.000 € jährlich für die Stiftungszwecke zur Verfügung stehen.
Das stiftungsrechtliche, reale Kapitalerhaltungskonzept führt zu mehreren Zielkonflikten. Die steuerrechtlichen Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts haben ein anderes Konzept der Kapitalerhaltung. Von besonderer Bedeutung ist auch, ob neben dem Grundstockvermögen weiteres Vermögen dem realen Kapitalerhaltungskonzept unterliegt. Bei dieser Frage geht es um die stiftungsrechtliche Behandlung der Umschichtungsgewinne.
Das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht unterscheidet nicht nach der Art des Rechtsträgers. Stiftungen, Vereine und gemeinnützige Kapitalgesellschaften unterliegen einheitlichen Gemeinnützigkeitsregelungen.
Steuerlich gilt das zeitnahe Mittelverwendungsgebot. D.h. sämtliche Stiftungseinnahmen sind zeitnah innerhalb von zwei Jahren für Stiftungszwecke zu verwenden. Von diesem Grundsatz gibt es einige Ausnahmen, die in der steuerrechtlichen Abgabenordnung geregelt sind.
Im Gleichklang mit den stiftungsrechtlichen Regelungen, darf das Grundstockvermögen der Stiftung nicht für Stiftungszwecke verwendet werden. Das gleiche gilt für Umschichtungsgewinne, die aus dem Grundstockvermögen resultieren.
Im Gegensatz zu den stiftungsrechtlichen Vorschriften unterliegen steuerrechtlich sämtliche Stiftungserträge, die aus dem Grundstockvermögen und sonstigem Vermögen erzielt werden, grundsätzlich der zeitnahen Mittelverwendungspflicht. Das Steuerrecht ermöglicht dem Steuerpflichtigen allerdings die Bildung von freien und gebundenen Rücklagen. Während die gebundenen Rücklagen nur temporär gebildet werden und die zeitnahe Mittelverwendungspflicht nur verzögern, können freien Rücklagen dauerhaft gebildet werden. Insoweit ist eine zeitnahe Mittelverwendung von Stiftungserträgen auch steuerlich nicht erforderlich. Freie Rücklagen dienen der Stärkung des Eigenkapitals des gemeinnützigen Rechtsträgers. Bei gemeinnützigen Stiftungen der Stärkung des Grundstockvermögens. Die freie Rücklage ist eine Art der steuerlichen, realen Kapitalerhaltung.
Die freie Rücklage ermittelt sich rechnerisch aus mehreren Komponenten. Von besonderer Bedeutung ist für eine Stiftung, dass steuerrechtlich 1/3 des Gewinns aus der Vermögensverwaltung jährlich in die freie Rücklage eingestellt werden dürfen. Stiftungserträge aus dem Grundstockvermögen durch eine Wertpapieranlage zählen zur steuerlichen Vermögensverwaltung. Steuerlich müssen grundsätzlich 2/3 der Vermögenserträge aus der Vermögensverwaltung zeitnah für Stiftungszwecke verwendet werden.
Der Zielkonflikt zwischen dem stiftungsrechtlichen realen Kapitalerhaltungskonzept und dem steuerlichen Prinzip der zeitnahen Mittelverwendungspflicht ist im nachfolgenden Beispiel dargestellt.
Beispiel:
Die Stifterin hat der gemeinnützigen Stiftung ein Grundstockvermögen in Höhe eines Geldbetrags von 200.000 € übertragen. Die Stiftungssatzung sieht eine reale Kapitalerhaltung vor. Der Geldbetrag wird in Höhe von jährlich 2 % verzinst. Die Inflation beträgt jährlich 1 %. Verwaltungskosten für die Stiftung fallen nicht an.
Stiftungsrecht: Die Gewinne aus der Kapitalanlage in Höhe von 4.000 € dürfen nicht vollständig für die Stiftungszwecke verwendet werden. In Höhe der Inflation von 1 %, d.h. um 2.000 € ist das Grundstockvermögen zu erhöhen. Entsprechend kann nur ein Betrag von 2.000 € für Stiftungszwecke verwendet werden.
Steuerrecht: Die Gewinne aus der Kapitalanlage von 4.000 € sind steuerrechtlich der Vermögensverwaltung zuzurechnen. In Höhe von einem Drittel, d.h. 1.333 € dürfen die Gewinne einer freien Rücklage im Eigenkapital der Jahresrechnung der Stiftung zugeführt werden. Der Restbetrag in Höhe von 2.667 € muss zeitnah für die Stiftungszwecke verwendet werden. Werden die Mittel nicht zeitnah für den Stiftungszweck verwendet, droht der Verlust der Gemeinnützigkeit für die Stiftung.
Während stiftungsrechtlich 2.000 € dem Grundstockvermögen zuzuführen sind, darf steuerrechtlich nur ein Betrag von 1.333 € der Stiftungszweckerfüllung entzogen werden, um die Gemeinnützigkeit der Stiftung nicht zu verlieren. Dieser Zielkonflikt kann nur gelöst werden, wenn die zuständige Stiftungsaufsicht die in der Satzung vom Stifter festgelegte reale Kapitalerhaltung im Einklang mit dem Steuerrecht auslegt.
In vielen bestehenden Satzungen sind keine Regelungen zum stiftungsrechtlichen Kapitalerhaltungskonzept enthalten. Ohne eine Satzungsbestimmung kommen die gesetzlichen Stiftungsvorschriften des BGB (bisher keine konkrete Regelung), alternativ die Landesstiftungsgesetze, bzw. Kirchenstiftungsverordnungen zur Anwendung.
Die stiftungsrechtlichen Vorschriften der einzelnen Bundesländer enthalten unterschiedliche Beschreibungen zum Konzept der Kapitalerhaltung. Die Begrifflichkeiten nominale oder reale Kapitalerhaltung sind selten zu finden. Insoweit ist eine entsprechende Auslegung vorzunehmen.
Die Einhaltung der nominalen Kapitalerhaltung kann aus dem Jahresbericht der Stiftung mit einer Vermögensrechnung und Einnahmen-, Ausgabenrechnung oder einer Bilanz, GuV und einem Anhang unmittelbar nachvollzogen werden.
Die Einhaltung der realen Kapitalerhaltung kann aus einer Jahresrechnung der Stiftung nicht abgeleitet werden. Eine Rücklage für die reale Kapitalerhaltung des Grundstockvermögens wird regelmäßig nicht gesondert bilanziert, weil sie im Steuerrecht und Handelsrecht nicht vorgesehen ist.
In vielen Jahresberichten von Stiftungen werden die steuerrechtlichen freien und gebundenen Rücklagen in der Bilanz im Eigenkapital gesondert ausgewiesen. Diese haben ausschließlich steuerrechtlichen Charakter und treffen keine Aussage zur Einhaltung der realen Kapitalerhaltung der Stiftung. Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) empfiehlt in einer Nebenrechnung zur Jahresrechnung, bspw. im Anhang die Berechnung zur Prüfung der Einhaltung der realen Kapitalerhaltung des Grundstockvermögens aufzunehmen.
Insbesondere durch das Anschaffungskostenprinzip von Vermögensgegenständen und planmäßige Gebäudeabschreibungen dürfen Wertsteigungen des Grundstockvermögens in der Stiftungsbilanz nicht abgebildet werden. Entsprechend kann in der Jahresrechnung bei diesen Sachverhalten keine Aussage zur realen Kapitalerhaltung getroffen werden.
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